Wandervogel

Deutsche Geschichte von 1806 bis 1871

Farben der DHG Westmark

I. Die Vorgeschichte

Bei den Ereignissen, die im Zeitraum von 1806 bis 1871 passierten, muß man die Ursachen, die zu den Befreiungskriegen gegen Napoleon und der späteren Reichsgründung führten, beachten.

Deutschland als Nationalstaat entwickelte sich ziemlich spät. Schon vorher hatten Staaten wie England  und Frankreich ihre Nationalstaatlichkeit gefunden.

Einer der Gründe für die späte Nationalstaatlichkeit der Deutschen wurde schon im Mittelalter gelegt. Im Jahre 936 wurde Otto d. Große zum Kaiser gewählt. Zum ersten Male wählten die Stammesfürsten Ihren Herrscher. Vorher hatten die Kaiser nur über Ihre jeweiligen Territorien geherrscht. Später setzte Karl IV die Wahl des Kaiser durch sog. Kurfürsten fest, die den Kaiser zu wählen hatten (Mainz, Brandenburg, Sachsen, Pfalz, Trier, Köln, Böhmen)

Der Kaiser hatte wenig Gewalt über das Reich. Die einzelnen Fürsten hatten bedeutend mehr Macht. So konnte ein freier Reichsfürst  Verträge mit dem Ausland schließen, gegen andere Fürsten Krieg führen und sogar gegen seinen Kaiser Krieg führen. Das einzige, was der Kaiser dann gegen den Fürsten verhängen konnte, war die sog. Reichsacht. Oft mußte der Kaiser Krieg gegen seine Fürsten führen (Schmalkadischer Krieg, Spanischer Erbfolgekrieg Bayern gegen Österreich)

Die Macht des Kaiser war eine Macht, die nicht auf Waffen, sondern nur auf einen Titel beruhte. Im 13. Jahrhundert schaffte es das Geschlecht der Habsburger, die Kaiserwürde zu erlangen und mit geringen Unterbrechungen bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation,  den Kaisertitel auch in der Familie zu halten.

Natürlich versuchten die Habsburger Ihre Macht im Reich zu vergrößern und Ihrem Titel auch Macht zu verleihen. Doch dies gelang nicht, da die Deutschen Fürsten sehr darauf achteten, daß Ihre Macht nicht eingeschränkt wurde.

Mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges hatte das Reich endgültig aufgehört, ein Machtfaktor zu sein. Seine Westgrenze wurde mehr und mehr von Frankreich eingedrückt. Vor den Toren Wiens standen die Türken. Nur in Ihren Erbländern regierten die Habsburger wirklich, im Reich waren sie als Kaiser nur noch formell oberste Lehnsherren der sonst souveränen Reichsstände. Die großen unter Ihnen suchten wie Habsburg, Ihre Machtbasis zu  erweitern. Der sächsische Kurfürst ließ sich zum König von Polen wählen, der Kurfürst von Brandenburg krönte sich 1701 zum König in Preußen, und 1714 bestieg das Haus Hannover den englischen Thron..

Besonders das Haus Preußen, die Familie der Hohenzollern stiegen nach dem 30-jährigen Krieg auf. Der Große Kurfürst machte Brandenburg-Preußen zur führenden Macht in Norddeutschland , aber erst mit der Eroberung Schlesiens durch Friedrich den Großen (1.-3. Schlesischer Krieg 1740-41, 1743-44 und 1756-1763) wurde es zur Großmacht. Am Ende des 18 Jahrhundert standen sich im Reich also 2 Großmächte gegenüber, nämlich das Haus Hohenzollern mit Preußen und das Haus Habsburg mit Österreich.

Das neue Jahrhundert begann mit der Auflösung des alten Reiches. Die französische Revolution (1789) hatte dazu geführt, daß die Monarchen Europas sich gegen das revolutionäre Frankreich wandten. Da aber die französischen Revolutionsarmeen nicht für Geld sondern für ihr Land kämpften und deshalb die bessere Motivation hatten, siegten sie gegen die monarchistischen Armeen. 1803 eroberten die Franzosen das linke Rheinufer. Die dadurch geschädigten Reichsfürsten wurden oft mit kirchlichen Besitz entschädigt. Als 1806 die süd- und westdeutschen Fürsten aus dem Reich austraten und unter dem Protektorat Napoleons den Rheinbund gründeten, legte Franz II., seit 1804 als Franz I. auch Kaiser von Österreich, die römisch -deutsche Kaiserkrone nieder. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation hatte aufgehört zu bestehen. Noch im gleichen Jahr brach auch der Krieg zwischen Frankreich und Preußen aus. Bei der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt wurden die Preußen vernichtend geschlagen. Im Frieden zu Tilsit verlor Preußen alle Gebiete westlich der Elbe, Danzig und die seit 1772 erworbenen Teile Polens. Frankreich war zu diesem Zeitpunkt unter Napoleon die Vormacht in Europa.
 

II.  Der Aufbau Preußens

Nach der Niederlage Preußens begannen aber auch langsam Reformen in Preußen zu beginnen. Diese Reformen führte Freiherr von Stein durch. Im Juni 1807 legte Freiherr von Stein in seiner Nassauer Denkschrift seine Gedanken zu diesen Reformen nieder.

"Altpreußen ist tot, das neue Preußen muß den Staatsbürger wecken, es muß den Gemeinden die Selbstverwaltung geben, es muß eine einheitliche Zentralverwaltung durchführen, es muß die Reichsstände auf den geschichtlich entwickelten Provinzialständen aufbauen."

Auch sein Nachfolger Hardenberg entwickelte Preußen weiter zu einem sehr fortschrittlichen Staat. Die Leibeigenschaft wurde abgeschafft, Freizügigkeit und Judenemanzipation eingeführt. Wilhelm von Humboldt begann in diesem Zeitraum als Kultusminister zu wirken. So wurde 1809 die Berliner Universität gegründet. Fichte, ein Philosoph, der an der Berliner Universität lehrte, prangerte in seinen Reden an die deutsche Nation die französische Besatzung an und forderte ein geistiges Selbstbewußtsein des Deutschtums.

Auch militärisch wurde Preußen verändert. Der Weg des Volksheeres wurde unter der Leitung von Scharnhorst und Gneisenau beschritten. Die Kluft zwischen Offizier und Mann wurde verkleinert, entehrende Strafen abgeschafft, die Adelsprivilegien wurden vom Grundsatz her beseitigt.  (Real blieben sie aber bestehen)

Nachdem Napoleon 1812/12 den Großteil seines Heeres im Rußlandfeldzug verloren hatte, erhob sich auch Preußen. Den Anfang machte General von Yorck mit der Konvention von Tauroggen, durch das die Preußischen Korps neutralisiert wurden und damit Yorck gegen das Bündnis Preußens mit Frankreich verstieß. Stein berief die Stände ein und setzte die Einrichtung einer Landwehr durch, damit war der Bruch mit Frankreich unvermeidlich, da der Friede von Tilsit Preußen nur eine begrenzte militärische Stärke zubilligte. Überall begann das Volk sich jetzt gegen die Franzosen zu erheben. Besonders die studierende Jugend schloß sich diesem Volksaufstand an.

Der König von Preußen war diesem Volksaufstand anfangs nicht sehr wohlgesonnen. Erst als sich der Volksaufstand immer weiter ausbreitete, fuhr der König nach Breslau schloß dort das Schutz- und Trutzbündnis mit Rußland und erließ am 17.  März 1813 den Aufruf  "An mein Volk"  zum Gedächtnis an die "eiserne Zeit", als Anerkennung, für Standhaftigkeit und hohen Mut, als Anerkennung an den "großen Kampf für Freiheit und Selbständigkeit" stiftete er außerdem das Eiserne Kreuz.

Die Rheinbundstaaten blieben dem französischen Kaiser einstweilen treu. Erst die  Völkerschlacht bei Leipzig vom 16.-19. Oktober 1813 entschied die Entfernung der Franzosen aus Deutschland. Nun fielen auch die Rheinbündler ab, sicherten sich aber wohlweislich die Erhaltung ihres Besitzstandes oder angemessenen Ersatz in der Bündnisverträgen mit der Koalition ab. Damit war eine Neuordnung Deutschlands im nationalen Interesse auch nach dem Zusammenbruch Napoleons vorerst ausgeschlossen

III. Der Wiener Kongreß

Nach der Niederlage Napoleons wurde vom Oktober 1814 bis Juni 1815 der Wiener Kongreß unter der Leitung des österreichischen Kanzler Metternich abgehalten. Versammelt waren in Wien alle europäische Mächte. Die Männer des Wiener Kongresses waren Potentaten und Diplomaten. Die von ihnen entfesselte Bewegung der Völker war ihnen unheimlich, sie bemühten sich den Wind der Revolution und des Nationalismus wieder einzusperren. Sie hatten Napoleon nicht besiegt, um die Revolution zu fördern. Wenn die Herrscher revolutionäre Mittel benutzt hatten, so hatten sie es im Interesse der Gegenrevolution getan. Die alte Politik des Mächtegleichgewichtes setzte sich wieder durch. Man wollte Ruhe haben, und Ruhe schien nur gewährleistet durch das Gleichgewicht der Kräfte.

Auf dem Wiener Kongreß wurde aber auch deutlich, daß das gemeinsame Interesse der Westmächte (England, Frankreich) und Österreichs darauf abzielte,  Rußland nicht zur beherrschenden kontinentalen Weltmacht und Preußen nicht zur führenden deutschen Macht werden zu lassen. Als Ergebnis des Wiener Kongresses entstand in Deutschland der Deutsche Bund. Im Deutschen Bund waren 34 souveräne Fürsten und 4 freie Städte mit gleichen Rechten vertreten. Ein weiterer wichtiger Punkt der in der Wiener Kongreßakte festgelegt wurde, war das bei einem  Aufflackern der Revolution in einem der Unterzeichnerländer, die anderen Fürsten militärisch dem bedrohten Fürsten helfen sollten.

IV. Der Deutsche Bund

Der Deutsche Bund enttäuschte die Patrioten bitter. Die Kleinstaaten, welche sich aus dem napoleonischen Strudel gerettet hatten, klammerten sich fest an die Verträge des Wiener Kongresses und versuchten, die Freiheitsbewegungen in Ihren Staaten mit Gewalt zu unterdrücken. Doch die Idee eines geeinten Deutschlands war auch mit Unterdrückung nicht mehr zu verhindern. Die romantische Bewegun , anfänglich noch unpolitisch, versorgte den Nationalismus mit den Ergebnissen ihrer Betrachtungen. Sie statteten den Nationalismus mit den Lehren von den Ursprüngen des Volkstums aus. Die Romantik lehrte zurückzuschauen und die Vergangenheit in einem verklärten Licht zu sehen, und wies auf die Mängel der Gegenwart hin.

Auch die Studenten begannen mit Reformideen und entwickelten daraus ein politisches Programm, das in der Wiedererneuerung von Kaiser und Reich gipfelte. Am 12. Juni 1815 schlossen sich die freiheitlich gesinnten Studenten der Universität Jena zur Burschenschaft zusammen. Diesem Zusammenschluß folgte eine Ausdehnung der Burschenschaften an fast allen deutschen Universitäten. Die Farben Schwarz, Rot und Gold, die zuerst an den Röcken des Lützower Freikorps zu sehen gewesen waren, wurden nun als Trikolore Schwarz-Rot-Gold von den Burschenschaften übernommen, sie machten diese vorher, im alten Reich praktisch niemals vorhanden gewesene Fahne, zum Symbol des deutschen Reichspatriotismus. Der vorläufige Höhepunkt dieser Bewegung war das Wartburgfest am 18. Oktober 1817, das zur Feier des Reformationsjubiläums und zum Gedächtnis der Leipziger Völkerschlacht veranstaltet wurde.
Nach Sonnenuntergang wurde ein Scheiterhaufen errichtet, in dem als Nachahmung von Luthers Verbrennung der Bannbulle, burschenfeindliche Bücher, Symbole der stehenden Heere der Fürsten, sowie als Sinnbild des Rückschritts ein Zopf verbrannt wurde, der gerade wieder in Hessen eingeführt worden war.
Anfänglich übten die Fürsten noch keinen starken Druck auf die Studenten aus, als aber im März 1819 der Dichter und Spion Rußlands Kotzebue  von dem Studenten Karl Sand ermordet wurde (Kotzebue hatte die Burschenschaften in seinen Schreiben beschimpft), war das Maß für die Fürsten voll. Am 20. September 1819 erfolgten die Karlsbader Beschlüsse, um den revolutionären Studenten Herr zu werden. Ziel dieser Beschlüsse war es, die Universitäten zu säubern. Die Universitäten wurden überwacht, Druckwerke wurden zensiert, revolutionäre Lehrkräfte wurden entlassen.

V. Vorbereitung für die Revolution von 1848.

Trotz der behördlichen Unterdrückung bestanden geheime politische Verbindungen in Deutschland weiterhin. Sie nannten sich Bildungsvereine und unterhielten seit 1820 aktenmäßig festgestellte Kontakte zu französischen Revolutionären. Besonders Johann August Wirt, Herausgeber der "Deutschen Tribüne" einer deutschnationalen Zeitung und Philip Jakob Siebenpfeiffer, ein radikaldemokratischer Publizist förderten diese Verbindungen und kämpften gegen die Pressezensur. Sie gründeten den Vaterlandsverein, dessen politisches Ziel die Wiedervereinigung Deutschlands mit demokratischer Verfassung war. Der Verein dehnte sich schnell über ganz West und Mitteldeutschland aus und brachte erhebliche Geldsummen zusammen. Am 27. Mai 1832 veranstaltete der Vaterlandsverein eine Massendemonstration auf dem Hambacher Schloß. Es war eine gewaltige Demonstration des Bekenntnisses für die  Einigkeit Deutschland. Gleich nach Hambach setzten die Gegenreaktionen ein. Die Führer von Hambach wurden verfolgt, viele saßen jahrelang im Gefängnis, einige gingen ins Ausland.
Vereine, Versammlungen, Volksfeste wurden verboten, ebenso die landfremden Kokarden und Fahnen, zu denen auch Schwarz-Rot-Gold gerechnet wurde. Die Zensur wurde verschärft, die akademische Freiheit weiter eingeschränkt.

VI. Die Revolution von 1848:

Die politische Bewegung von 1848 begann im deutschen Westen und Süden. Die äußeren Vorgänge waren überall im wesentlichen gleich. Angesteckt von der Pariser Februarrevolution, gab es in den Städten Demonstrationen und Zusammenstöße mit Regierungstruppen. Der Wechsel vollzog sich besonders in Süddeutschland ziemlich schnell. Pressefreiheit, Schwurgerichte, Bürgerwehr, Verwaltungsreform wurden von den Fürsten bewilligt, die vormaligen Oppositionsführer, oft noch vorher im Gefängnis, wurden Minister.

Auch in Preußen mußte der König nach Barrikadenkämpfen nachgeben und gewährte am 18. März 1848 die Pressefreiheit sowie die Einberufung des Vereinigten Landtages zur Reorganisation des Deutschen Bundes.

Am 31. März 1848 begann in Frankfurt die erste deutsche Nationalversammlung ihre Arbeit; das einzige gesamtdeutsche Parlament, das je diesen Namen mit Recht getragen hat. Die Paulskirche in Frankfurt wurde der Schauplatz von Verhandlungen einer Körperschaft, die über den politischen Anlaß hinaus denkwürdig geworden ist. Das Scheitern der Paulskirche wurde zum Fluch des parlamentarische Prinzips und der liberal - demokratischen  Gedankenwelt. Überwältigend wirkte die Zahl der akademischen Gebildeten. Weniger die Professoren als die Juristen traten in den Vordergrund. Korporierte saßen zu etwa drei Vierteln in diesem Parlament, vornehmlich Burschenschafter und Corpsangehörige. Sehr früh formte sich eine Rechte, eine Mitte, eine Linke. Die Franktionsbildung vollzog sich dann allmählich. Das Frankfurter Parlament vollendete unter maßlosen Schwierigkeiten seine Reichsverfassung . Reichsgewalt, Reichsgebiet, der Erbkaiser der Deutschen, ausgestattet mit dem nur aufschiebenden Veto, die unabhängigen Gerichte diese Verfassung sollte die spätere Reichsverfassung maßgeblich prägen. Doch an einer Frage ging die Paulskirche zugrunde.

Großdeutsche oder kleindeutsche Lösung? Nach vielen Überlegungen und auch weil die Umstände in Österreich nicht sehr günstig waren, wählte man die kleindeutsche Lösung und bot Friedrich Wilhelm von Preußen die Kaiserkrone an. Am 28. April 1849 lehnte der preußische König die Krone und die Reichsverfassung ab. An dieser Ablehnung zerbrach die Nationalversammlung. Überall kam es jetzt zu Aufständen unzufriedener Bürger. Doch diesmal wurde massiv Militär zur Niederschlagung der Aufstände eingesetzt. Ein Aufstand in Dresden wurde von preußischen und sächsischen Truppen unterdrückt. Auch im Südwesten (Baden) wurden mit Hilfe von 60.000 Mann preußischen Truppen die Aufstände blutig niedergeschlagen.

Damit war die deutsche Revolution beendet. Besonders die liberalen Kräfte waren zerschlagen worden. Rechte und linke Kräfte standen sich dagegen in erbitterter Feindschaft gegenüber. Die revolutionären Kräfte begannen nun die gesellschaftliche, staatliche und wirtschaftliche Ordnung von innen anzugreifen, sie versuchten innerhalb der bestehenden Ordnung sich Macht zu verschaffen und darauf Ihre Ansprüche neu zu begründen.

VII. Bismarck

Als Überbleibsel der Revolution von 1848/49 blieben die Landtage zurück. Diese Landtage hatten wohl einige Macht, waren aber nach der Revolution sehr fügsam und machten den Monarchen anfangs kaum Schwierigkeiten. Doch nach einiger Zeit regte sich auch in den Landtagen Widerstand gegen die Fürsten. Dies zeigt sich besonders im Streit um die Heeresreform, die der König von Preußen durchsetzen versuchte. Prinzregent Wilhelm (der spätere König von Preußen und Kaiser des Deutschen Reiches) wollte mit seiner Heeresvorlage das Heer der inzwischen stark angewachsenen Bevölkerung entsprechend vergrößern , in der Hoffnung, damit die militärische Schlagkraft Preußens erhöhen zu können. Ferner sollten die gedienten Soldaten drei Jahre länger in Bereitschaft bleiben und häufiger Übungen absolvieren, ehe sie in die vom Reichsheer abgetrennte Landwehr eintraten. Zur Durchführung seiner Heeresvorlage benötigte Prinz Wilhelm die Zustimmung des Landtages. Während das Herrenhaus keinerlei Schwierigkeiten bereitete, widersetzte sich das mit einer liberalen Mehrheit regierende Abgeordnetenhaus den Plänen des Prinzregenten.

Die Opposition des Abgeordnetenhauses richtete sich dabei vor allem auf die politische Bedeutung, die der Heeresvorlage neben dem militärischen Aspekt zukam. Da durch die Heeresverstärkung auch die Zahl der königstreuen, zumeist adligen Offiziere vermehrt und ein großer Teil des gemeinen Volkes stets für längere Zeit im Dienste des Staates bzw. des Königs stand, erhielt dadurch auch zugleich die Macht des Königs eine wesentliche Verstärkung. was jedoch nicht im Sinne des Abgeordnetenhauses war. Um jedoch keinen Bruch mit dem Regenten herbeizuführen, bewilligte das Abgeordnetenhaus die Ausgaben die für die Reform benötigt wurden, verlangte aber gleichzeitig die Herabsetzung der verlängerten Dienstzeit. Wilhelm war jedoch zu keinen Kompromiß bereit und läßt sofort nach seiner Proklamierung zum König von Preußen den Landtag auflösen und ersetzt die liberalen Minister durch konservative. Das neugewählte Abgeordnetenhaus weißt allerdings wiederum eine starke liberale Mehrheit auf und lehnt die Heeresvorlage erneut ab. In dieser Situation ernennt der König auf Anraten des Kriegsminister Albrecht von Roon, Otto von Bismarck zum Ministerpräsidenten von Preußen.

Bismarck führte den Kampf um die Dienstzeit, an dessen Notwendigkeit er auch kaum glaubte, mit einer vor nichts zurückschreckenden Energie durch. Die Rechtslage war schwierig, da die Verfassung in wichtigen Punkten unklar war. Aber rein rechtlich war die Angelegenheit auch nicht mehr zu regeln. Bismarck behandelte die das Budget verweigernde Kammer und ihre Abgeordneten so schlecht wie er konnte. An die tausend Beamte wurden gemaßregelt, weil sie Opposition machten, die gesetzliche Pressefreiheit wurde durch Einsatz von Presseordonannzen wesentlich eingeschränkt.

Bismarck beendete den Verfassungskonflikt dadurch, daß er sich einfach über die Opposition des Abgeordnetenhauses hinwegsetzte und die Regierung über Jahre hinaus gegen die parlamentarische Mehrheit führt. In der Bevölkerung regte sich kaum Widerstand dagegen und die Heeresreform wird planmäßig vorangetrieben.

Österreich dagegen versucht in diesen Jahren eine Reform des Deutschen Bundes um dort seinen Einfluß zu vergrößern. In den Mittelstaaten war der Ruf nach einer Bundesreform besonders lebendig, geworden, weil sich in einer Zeit betonter Machtpolitik die Fürsten mehr und mehr in Ihrem Bestand bedroht sahen. Die Wiener Regierung nahm die Bundesreformpläne auf: neben dem Bundestag sollte die Delegiertenversammlung gebildet aus den Einzellandtagen treten, darüber hinaus wäre ein Direktorium von 5 Personen aufzubauen. In Frankfurt sollten sich sämtliche deutsche Fürsten unter dem Vorsitz des Kaisers versammeln. Bismarck verhindert, daß sein König die Einladung nach Frankfurt annimmt. Das Fernbleiben des preußischen Königs verdarb den ganzen Reformplan. Auf gütlichen Wege war also Deutschland nicht zu einigen.

VIII. Die drei Kriege zur Reichsgründung von 1871

Bismarck hat drei Kriege geführt, alle drei während des ersten Jahrzehnts seiner verantwortliche Leitung in Preußen. Rund zwei Jahrzehnte hat er dann den Frieden bewahrt - noch mehr er hat alles getan um einen Kriegsausbruch in Europa zu verhindern. Bismarck sah den Krieg als notwendiges Übel an, der nur dann geführt werden soll, wenn eine Schlichtung bestimmter Konflikte auf friedlichen Wege nicht oder nur sehr schlecht möglich ist.

1. Der Krieg um Schleswig-Holstein

Seit dem Londoner Protokoll von 1852 war Schleswig-Holstein durch eine Personalunion mit Dänemark verbunden. Die Dänen setzen aber Ihre Versuche fort, ein einheitliches Großdänemark zu schaffen, ohne Rücksicht auf die Rechte der Herzogtümer und die Empfindungen ihrer deutschen Bewohner. In diesem Geist erfolgte der Erlaß des königlichen Patents vom 30. März 1863, das Schleswig von Holstein trennte und zur dänischen Provinz machte. Auch Bismarck ist bestrebt, diese Herzogtümer in Preußen einzugliedern, gleichzeitig kann er eine dänische Großmacht in Norddeutschland nicht gebrauchen. Allerdings erfordert dieser Plan äußerstes diplomatisches Geschick, da ein Dazwischentreten der anderen europäischen Großmächte verhindert werden muß. Dies gelingt Bismarck, indem er nach außen hin den Weg der Legalität beschreitet und die Dänen zur Einhaltung des Londoner Protokolls auffordert. Österreich will Preußen nicht nachstehen, um keinen Einfluß zu verlieren und muß sich Preußen anschließen, das so Schritt um Schritt unter Übergehung der deutschen Klein- und Mittelstaaten in der Angelegenheiten die Führung an sich reißt. 1864 dringen preußische und österreichische Truppen über die Eider vor und nach heftigen Kämpfen (Erstürmung der Düppeler Schanzen durch die Preußen am 18. April 1864) erliegen die Dänen der Übermacht. Die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg werden im Frieden von Wien am 30. Oktober 1864 von Dänemark an Preußen und Österreich abgetreten.

Die Spannungen, die bereits zwischen Preußen und Österreich bestehen, verschärfen sich in der Folgezeit bei der gemeinsamen Verwaltung der Elbherzogtümer erheblich und schließlich werden die Herzogtümer im Vertrag von Gastein von 1865, zwischen den beiden deutschen Staaten aufgeteilt. Preußen erhält die Ausübung der gemeinsamen Rechte in Schleswig, und Österreich in Holstein. Der Vorteil lag durchaus auf preußischer Seite, da Österreich Holstein, entlegen wie es war, immer als einen verlorenen Posten ansehen mußte und weil außerdem sein Wert wesentlich herabgemindert wurde durch das Recht Preußens, Kiel als Marinestation auszubauen sowie Etappenstraßen und eine eigene Postverwaltung in Holstein zu errichten. Beide Herzogtümer treten auch dem Zollverein bei.

2. Der deutsche Bruderkrieg von 1866

Bismarck hatte schon frühzeitig erkannt, daß wenn Preußen die beherrschende Macht in Deutschland spielen wolle, dies nur über Österreich geht. Seine Diplomatie der letzten Jahre ist darauf angelegt, daß sich auch keine anderen Großmächte einmischen werden, wenn es zum Bruderkampf mit Österreich kommen wird. Rußland ist seit dem Krimkrieg, wo  Preußen eine freundliche Neutralität gepflegt hatte, Preußen wohlgesonnen. Frankreich steht mit Österreich wegen Italien in Konflikt und hofft Preußen gegen Österreich ausspielen zu können.
Auch England ist ein starker Mittelstaat der zwischen Frankreich und dem aufstrebenden Rußland auszugleichen vermag nicht unerwünscht. Zum offenen Bruch mit Österreich kommt es, als Bismarck, um eine Bundesreform zu erreichen, einen Antrag stellt auf die Einberufung eines deutschen Parlamentes. Da Österreich wegen seiner fremdnationalen Landesteile nur gering vertreten wäre, würde seine Stellung im deutschen Bund erheblich an Einfluß verlieren.

Österreich antwortet daraufhin mit einem Gegenschlag und bringt die Schleswig-Holsteinische Frage vor den Bundestag, woraufhin Preußen sofort in Holstein einmarschiert und im Bundestag den Ausschluß Österreichs aus dem Deutschen Bund fordert. Hierauf beantragt Österreich die Mobilmachung der Bundestreitkräfte; der Bundestag beschließt daraufhin die Mobilisierung eines Teils der Bundesarmee, woraufhin Preußen die Bundesakte für gebrochen erklärt, aus dem Bund austritt und die preußische Armee sofort in Bewegung setzt.

Auf österreichischer  Seite kämpfen die süddeutschen und die größeren norddeutschen Staaten.

Die Entscheidung fällt drei Wochen nach Kriegsbeginn in der Schlacht bei Königgrätz, wo das zahlenmäßig überlegene österreichische Hauptheer, den besser geschulten vereinigten preußischen Armeen unterliegt

Um einer Einmischung Napoleons III, der von Österreich um Vermittlung gebeten wird, zuvorzukommen und um ihm keinerlei Verpflichtungen zu schulden, schließt Bismarck gegen den Willen des Königs, aber mit Unterstützung des Kronprinzen, Frieden mit Österreich. Die Friedensbedingungen sind sehr milde. Österreich stimmt der Auflösung des Deutschen Bundes, den preußischen Annexionen und der Neugestaltung Deutschlands ohne Österreich zu, darüber hinaus zahlt es eine Kriegsentschädigung von 20. Mill. Talern.
Durch die  Annexionen im nord- und mitteldeutschen Raum erlangte Preußen den ihm bisher fehlenden räumlichen Zusammenhang, so daß es nach der Zusammenfassung der erworbenen Gebiete im Norddeutschen Bund zum mächtigsten deutschen Einzelstaat emporsteigt. Bismarck schließt außerdem Schutz - und Trutzbündnisse mit den süd-deutschen Staaten zunächst nur militärisch, dann auch wirtschaftlich durch Erneuerung des Zollvereins.

3. Der Krieg mit Frankreich und die Reichsgründung

Das Mißbehagen in Frankreich kann angesichts der deutschen Entwicklungen nur wachsen.
Bismarck war kein deutscher Nationalist gewesen bis jetzt. Die Idee vom Gesamt-deutschland war seinem preußischen Wollen fremd. Jetzt war der Wendepunkt gekommen. In den Märztagen 1867 geht Bismarck sein Bündnis mit dem deutschen Nationalismus ein - es richtet sich notwendigerweise gegen Napoleon. Jetzt veröffentlicht er die Geheimverträge, die die norddeutschen Staaten mit den süddeutschen Staaten verbinden.

Doch der Auslöser zum Krieg mit Frankreich kam aus Spanien. Die spanische Königin Isabella war nicht in der Lage,  Spanien zu regieren. Eine Revolutionsgefahr drohte. Bismarck begrüßte die Entwicklung in Spanien freudig, ein liberales Spanien kam in einen Gegensatz zu Frankreich. Auch unterstützt Bismarck die Kandidatur von Prinz Leopold von Hohenzollern um den Thron Spaniens. Als die Thronkandidatur bekannt wird, erregt sie einen Entrüstungssturm in Frankreich. Nach heftigen Protesten Frankreichs, aber auch anderer europäischer Mächte, nimmt Prinz Leopold die Thronkandidatur wieder zurück. Bismarck hat damit zuerst eine Schlappe erlitten. Aber die ungeschickte Taktik der sonst so gewandten französischen Diplomatie spielte ihm einen Trumpf in die Hände. Das französische Verlangen, der König möge eine Dauergarantie übernehmen dafür, daß die Kandidatur nicht wieder auftauchte, war eine Zumutung, besonders als der König auch noch eine Art Entschuldigungsbrief an den französischen Kaiser schreiben soll,  macht die Krise unheilbar. Die Emser Depesche Bismarcks, die den verwickelten Tatbestand für publizistische Zwecke vereinfachte und zuspitzte, war die Antwort.

Frankreich erklärte Preußen den Krieg - ganz Süddeutschland schließt sich Bismarck an.
Der Krieg brachten den preußisch -deutschen Waffen einen unerwarteten Triumph. Die ersten Niederlagen der französischen Truppen im Elsaß entscheiden die strenge Neutralität der beiden Verbündeten Österreich und Italien, auf die Napoleon III. doch irgendwie gehofft hatte.
1 Wörth und 2 Sedan, 3 Metz, 4 Straßburg und 5 Paris - alle diese Namen bedeuten große Siege der deutschen Armeen und große Niederlagen und Demütigungen der Franzosen.

Noch vor dem Friedensschluß kam es zur Begründung des neuen Reichs. König Wilhelm wurde zum Deutschen Kaiser in der Spiegelgalerie des Versailler Königschlosses proklamiert. Lange Verhandlungen waren dieser Proklamation vorangegangen. Die Verhandlungen mit den Süddeutschen, besonders mit Bayern, erwiesen sich als schwierig. Württemberg und Bayern bekamen erhebliche Reservatrechte (Heer, Post, Eisenbahn).
Auch wurde eine neue Reichsverfassung von Bismarck geschaffen,  die eigentlich nur eine Erweiterung der Verfassung des Norddeutschen Bundes war. Auch der König von Preußen war nicht glücklich.  Kaiser eines Reiches zu werden,  in dem er weniger zu sagen hatte, als in seiner Stellung als preußischer König.
Im Frankfurter Friedensvertrag vom 10. Mai 1871, trat Frankreich Elsaß und Lothringen an das Deutsche Reich ab und zahlte 5. Mrd. Franken  Kriegsentschädigung. Bismarck selbst war es durchaus nicht wohl bei der Abtretung Elsaß - Lothringens an das Reich, aber die Militärs und nationalen Kräfte drängten ihn dazu. So brachte der Frankfurter Friede die Wende seiner auswärtigen Politik. Elsaß - Lothringen stand zwischen den beiden bedeutendsten Großmächten Mitteleuropas. Dies sollte die Zukunft Deutschlands und Frankreichs beeinflussen.

Von: R. Paul


Quellen:

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