Wandervogel

Literatur

Francis Fukuyama

Farben der DHG Westmark

1     Francis Fukuyama ‚The End of History and the Last Man‘   ein geschichtsphilosophischer Entwurf............................................................ 2

1.1            Der Autor.................................................................................... 2

1.2            Einleitung..................................................................................... 3

1.2.1              Einordnung des Buchs............................................................. 3

1.2.2              Titel des Buchs........................................................................ 3

1.2.3              Kernaussage des Buchs........................................................    3

1.3            Gedankengang des Buches........................................................... 4

1.3.1              Das Scheitern des politischen Totalitarismus und der Sieg des Liberalismus............. 4

1.3.1.1           Der empirische Befund am Ausgang des 20.Jahrhunderts............................ ........... 4

1.3.1.2           Fukuyamas universalgeschichtliche Entwicklungstheorie................................ .......... 6

1.3.1.2.1           Naturwissenschaftlich/ökonomische Elemente...................................................... 6

1.3.1.2.2           Anthropologische Elemente........................................... 8

1.3.2              Mögliche Gefahren für die liberale Demokratie........................................................................................... 9

1.3.2.1           Gefahren durch Nationalismus.......................................... 9

1.3.2.2           Gefahren durch fundamentale Ablehnung liberaler Lebensformen........................... 10

1.4            Beurteilung des Buchs........................................................................................................................................ 11

1.5            Literaturliste............................................................................................................. 12


 

1         Francis Fukuyama ‚The End of History and the Last Man‘            ein geschichtsphilosophischer Entwurf.

1.1        Der Autor

Francis Fukuyama wurde am 27.Oktober 1952 in Chicago geboren. Er wuchs in New York City auf. Er studierte Altertumswissenschaft an der Cornell Universität und in Harvard Politikwissenschaft. Zur Zeit ist er Professor für Politikwissenschaft an der George Mason University, ferner arbeitet(e) er noch für andere politikwissenschaftliche Institute und Zeitschriften (z.b.: RAND Corporation, The National Interest). Praktische politische Erfahrung sammelte er als stellvertretender Direktor im Planungsamt des US-Außenministeriums (u.a. in Ägyptisch-Israelischen Verhandlungen 1982). Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

 


Seine Forschungs/Veröfentlichungsschwerpunkte waren/sind:

·        Die Außenpolitik der Sowjetunion in der 3.Welt

·        Demokratisierung und internationale politische Ökonomie

·        Soziale Auswirkungen der Informationstechnologie

·        Politische Konsequenzen der Biotechnologie.

 

Besonderes Aufsehen erregte er 1989 mit seinem Artikel ‚The End of History?‘  in der Zeitschrift ‚The National Interest‘. Dieser Artikel ist Grundlage und Ursprung des vorliegenden Buches.

1.2        Einleitung

1.2.1       Einordnung des Buchs

Das Buch ist ein geschichtsphilosophischer Entwurf. Es versteht menschliche Geschichte als zielgerichteten universalgeschichtlichen Prozeß, der vom menschlichen Verstand erkannt und damit auch beschrieben werden kann. Er ist somit den geschichtsphilosophischen Schriften des Mittelalters und der Neuzeit (insbesondere Hegel und Marx im 19.Jahrhundert, aber auch Spengler in diesem Jahrhundert) an die Seite zu stellen. Mit Hegel und Marx verbindet ihn folgende Überzeugungen:

 

1.das Ende dieses Prozesses ist gekommen oder steht zumindest kurz bevor.

2.die zielgerichtete Entwicklung ist eine Höherentwicklung zu qualitativ besseren Zuständen, das Paradies wird  also schon für diese Seite des Grabes versprochen.[1]

 

1.2.2       Titel des Buchs

 

Der Titel des Buchs wurde gegenüber dem Titel des Artikels in ‚The National Interest‘ erweitert. Es heißt nun nicht mehr ‚The End of History?‘ sondern ‚The End of History and the Last Man‘.   Damit wird einerseits die These vom Ende der Geschichte zur – vorläufigen - Gewißheit erhoben, andererseits wird den für das Buch wichtigen Gedankengängen Nietzsches durch die Erwähnung des ‚Letzten Menschen‘ auch im Titel Ausdruck verliehen.

 

1.2.3       Kernaussage des Buchs

 

Fukuyama versteht Geschichte als einen einzigen, in sich schlüssigen evolutionären Prozeß, der am Ende des 20.Jahrhunderts zu Ende gekommen ist. Eine Entwicklung über den liberalen demokratischen Staat hinaus ist nicht denkbar. Die Gründe hierfür sind:

 

a ) Die moderne Naturwissenschaft und Ökonomie.

b) Der Kampf um Anerkennung (Emanzipation)[2]


 

1.3        Gedankengang des Buches

Im folgenden wird versucht die Argumentation des Autors in groben Zügen wiederzugeben. Auf eine eingehende Beschäftigung mit den von Fukuyama vetretenen Thesen, insbesondere seinem Verhältnis zu den aufgeführten Philosophiesträngen wird verzichtet.[3]

 

1.3.1       Das Scheitern des politischen Totalitarismus und der Sieg des Liberalismus

1.3.1.1     Der empirische Befund am Ausgang des 20.Jahrhunderts

 

Die Grausamkeiten dieses Jahrhunderts haben nach Meinung Fukuyamas viele Autoren fälschlicherweise dazu verführt, die menschliche Entwicklung pessimistisch zu beurteilen. Doch  gibt es für ihn seit 1989 gute Nachrichten, da die totalitären Systeme des 20.Jahrhunderts zusammengebrochen sind. War der Faschismus nach seiner Niederlage 1945 keine politische Alternative mehr[4] so gilt dies seit 1989 auch für die den kommunistischen Totalitarismus.[5]  Dies ist der empirische Befund der weltpolitischen Veränderungen. Für das Scheitern der faschistischen und kommunistischen Modelle gibt er folgende Begründung:

 

a)      Faschismus:

Der Faschismus, der viele Bewunderer in der Welt hatte, scheiterte, da sein inhärenter Militarismus und sein Suprematiestreben über andere Rassen ihn automatisch in Konflikt mit dem ganzen internationalen System führte, also in einen Weltkrieg, den er verlor. Danach war es mit seiner Anziehungskraft vorbei. Rechtsgerichtete Diktaturen, die es dann selbstverständlich auch noch gab, waren nur noch autoritäre Staaten, die Teile der Gesellschaft in die Freiheit entließen, wodurch ihre Existenz immer mehr gefährdet wurde(z.b. Franco-Spanien, lateinamerikanische Diktaturen).  

 

b)      Kommunismus:

Der Kommunismus scheiterte aus ökonomischen und ideologischen Gründen. Zum einen konnte der Lebensstandard der Bevölkerung nicht – wie versprochen – dem Niveau der westlichen, kapitalistischen Länder angeglichen werden. Wichtiger noch war, daß immer mehr Menschen in der Sowjetunion die verbreiteten Lügen nicht mehr akzeptierten. Als diese Legitimationskrise die Führungsspitze ergriff, und diese von sich aus die ideologische Öffnung (Perestroika und Glasnost)vorantrieb, begann ein Prozess, der das gesamte System untergrub und umwälzte.  Nicht nur in der Sowjetunion sondern auch in China brach das totalitäre System zusammen, da es einen starken privaten Sektor erlaubte.[6] Die von der Sowjetunion beherrschten Länder, die zu keiner Zeit den linken Totalitarismus innerlich angenommen hatten, nutzten die Gunst der Stunde um sich aus der sowjetischen Umklammerung zu lösen, wobei Fukuyama sehr viel Sympathie für Länder und Menschen zeigt, die mutig für ihre Ideale einstehen(z.b. Litauen). Das die Etablierung eines demokratischen Systems je nach Land enorme Schwierigkeiten bereitet steht  für ihn dabei auf einem anderen Blatt. Entscheidend ist jedoch für den Autor, daß der totalitäre Kommunismus keine Alternative mehr darstellt und welthistorisch ausgedient hat.

 

Nach dem Scheitern der totalitären Systeme (nicht universeller Faschismus und  universeller Kommunismus) bleibt als einzige Ideologie von potentiell globaler Gültigkeit nur die liberale Demokratie übrig. Liberalismus und Demokratie werden wie folgt definiert:

 

a)      Liberalismus

Rechtsstaatlichkeit, die bestimmte Abwehrrechte des Individuums gegenüber der Staatsmacht definiert (z.b. Bill of Rights), dazu freie ökonomische Entfaltung basierend auf privatem Eigentum und freien Märkten.

b)      Demokratie

Recht aller Staatsbürger an Wahlen teilzunehmen und politische Verantwortung auszuüben.[7]

 

Fukuyamas Hauptthese ist nun, daß diese Entwicklung nicht zufällig ist oder einen augenblicklicher Trend darstellt. Nachdem die totalitären Systeme zusammengebrochen sind, werden nach und nach auch die autoritären Systeme verschwinden genauso wie auch die Aristokratien und Monarchien im Laufe der Geschichte mehr und mehr verschwunden sind. Dabei betont Fukuyama, daß Geschichte ein universalhistorischer teleologischer Prozeß ist, in dem es vernünftig zugeht.

 

„History was not a blind concatenation of events, but a meaningful whole in which human ideas concerning the nature of a just political and social order developed and played themselves out. And if we are now at a point where we cannot imagine a world substantially different from our own, in which there is no apparent or obvious way in which the future will represent a fundamental improvement over our current order, then we must also take into consideration the possibility that History itself might be at an end.“[8]

 

Bestätigt sieht er sich in seinen Anschauung durch die Philosophie des deutschen Idealismus. Dieser habe durch Kant die Frage nach einer Universalgeschichte zu erst in vollem Umfang aufgeworfen, und zwar durch die Forderung die fundamentalen Gesetze der menschlichen Entwicklung aufzeigen.. Hegel habe diese Frage gelöst, da er die Mechanismen aufgezeigt habe, wie Entwicklung in der Geschichte möglich sei.: Historische Entwicklung geschieht demnach so lange, als die einzelnen historischen Phänomene (Staaten, Staatensysteme usw.) grundsätzliche Widersprüche in sich aufweisen. Wenn es keine fundamentalen Widersprüche mehr gibt, wenn alle Menschen frei sind, dann ist das Ende der Geschichte erreicht.


 

1.3.1.2     Fukuyamas universalgeschichtliche Entwicklungstheorie

Den geschichtsphilosophischen Überlegungen stellt er im folgenden eine Entwicklungstheorie zu Seite, mit dem Ziel seine Hautthese(universale, zwangsläufige Entwicklung hin zu liberalen Demokratie) zu untermauern. Seine Argumentation verläuft in folgenden Schritten:

 

1.3.1.2.1        Naturwissenschaftlich/ökonomische Elemente

 

·        Er beginnt mit der Entwicklung der Naturwissenschaften, den er als zielgerichteten Prozeß von ständig wachsendem Wissen ansieht. Dieses Wissen wirkt sich erstens in der militärischen Konkurrenz aus. Staaten können nur bestehen, wenn sie sich militärisch behaupten, das heißt aber, daß sie in der Lage sind, Naturwissenschaften zu betreiben, und gleichzeitig die Gesellschaft in Richtung Effizienz und Rationalität gestalten.[9]

·        Zweitens bedingt die naturwissenschaftliche Entwicklung eine spezifische ökonomische Entwicklung. Die Industrialisierung brachte nicht nur neue Maschinen, sondern vor allem auch neue Formen der Arbeitsorganisation, der Stadtplanung usw. hervor. Die gesamte Lebenswelt wird durch die Industrialisierung verändert, alte Lebensformen sterben dabei ab. Auch die Sitten und Gebräuche ändern sich. Kommunistische Versuche die Arbeitsteilung aufzuheben, oder den Unterschied zwischen Stadt und Land einzuebnen endeten jeweils in Katastrophen mit Millionen von Toten (Mao, Pol Pot), aber davon abgesehen geht einmal erworbenes Wissen nicht verloren. Einen generellen Rückfall in vorindustrialisierte Zustände würde auch ein Atomkrieg nicht mit sich bringen. Der Autor behauptet also, daß die moderne Naturwissenschaft ihr Wissen erweitert und bestimmte eindeutige soziale Veränderungen über alle Nationen und Kulturen hervorruft.

·        Drittens leben die heutigen Gesellschaften von Innovation. Innovationen gedeihen am besten in ökonomische freien Gesellschaften. Während für die erste Phase der Industrialisierung auch ökonomisch autoritäre oder totalitäre Systeme als Ordnungsrahmen dienen konnten, gilt dies nicht mehr für die heutigen Informationsgesellschaften. Zentrale Planung und ein fehlendes Markt-Preissystem haben diese Gesellschaften immer weiter zurückgeworfen. Zudem unterminieren sie die Arbeitsethik einer Gesellschaft, da sie individuelle Belohnung allenfalls selektiv in bestimmten Sparten der Industrie (z.b. Militärsektor) einsetzen. Dieses Modell gilt auch für die unterentwickleten Länder.[10]Damit hat er seiner Ansicht nach gezeigt, daß der wissenschaftliche Fortschritt bestimmte liberale ökonomische Prinzipien impliziert.


 

Dagegen ist die Frage ob technischer Fortschritt, liberale Ökonomie auch gleichzeitig liberale Demokratie nach sich zieht nicht so leicht zu beantworten. Auf den ersten Blick mag die mit den Modernisierung einhergehende Herausbildung einer Mittelstandsgesellschaft genügen, da die gebildete Mittelstandsgesellschaft eine gleichmäßige Verteilung der politischen Rechte einfordert. Auch scheint die Demokratie eine ausgezeichnete Methode zu sein, um Konflikte in entwickelten Gesellschaften zu lösen. Andererseits aber gibt es eine Reihe von Konflikten, die die Demokratie gerade nicht gut lösen kann:

 

·        Nationale Differenzen

·        Religiöse Differenzen

·        Ethnische Differenzen

·        Einflußnahme der Bevölkerung auf die Wirtschaft

 

Zudem spricht die Erfahrung eher dafür, daß die Verbindung von liberaler Wirtschaftsordnung und autoritärem Staat die beste Lösung darstellt. Dies bedeutet aber für den Autor, daß ein nachweisbare Verbindung zwischen naturwissenschaftlich-ökonomischer Entwicklung und liberaler Demokratie nicht existiert. Liberale Demokratie wird vielmehr aus nichtökonmischen Gründen gewählt. Am wichtigsten ist dabei der Kampf um Anerkennung. Der Autor ist der Überzeugung, daß die liberale Demokratie zwangsläufig am Ende der Geschichte auftritt, mit der Entwicklung der Naturwissenschaften und damit verbunden der liberalen Ökonomie hat dies aber ursächlich nichts zu tun.[11]


 

1.3.1.2.2        Anthropologische Elemente

 

Die bewegende Kraft der Geschichte ist der Wunsch jedes Menschen nach Anerkennung. Neben dem Wunsch, seine natürlichen Bedürfnisse wie Hunger und Durst zu befriedigen, hat er auch den Wunsch als Mensch in seinem Wert von anderen Menschen anerkannt zu werden. Menschen können die Todesangst besiegen und sich für nicht-materielle Ziele aufopfern, sie sind also frei moralische Entscheidungen zu fällen und möchten in ihrer Freiheit auch anerkannt werden. Dieses Streben bestimmt die Geschichte.[12] Systeme, die diese Würde verletzen, werden mit der Zeit verschwinden. So konnte der Sozialismus zwar den Menschen eine gewisse Lebenssicherheit bieten, doch zwang er sie permanent Dinge zu tun, die ihr Selbstverständnis als freie Menschen verletzten (Eine als falsch eingesehene Ideologie dennoch zu preisen).[13].

Natürlich muß den Menschen diese Zurücksetzung auch bewußt werden muß. Dies geschieht vor allem dann , wenn Gesellschaften beginnen, sich ökonomisch zu verändern, da die neuen ökonomischen Perspektiven auch den Blick für nichtökonomische Möglichkeiten erst wirklich eröffnen. Zusätzlich werden mutige Menschen benötigt, die bereit sind, für ihre Ziele ihr Leben zu riskieren. Würde man immer nur seinen natürlichen Wünschen folgen, würde eine Kosten-Nutzen Analyse in der Regel die Sinnlosigkeit eines Aufstands gegen als ungerecht empfundene Verhältnisse ergeben.[14] Der Wunsch nach Anerkennung für alle Menschen findet seine letztendliche Lösung im universellen und homogenen Staat, der als Rechtsstaat auf ökonomisch/technischem Fortschritt und rechtlicher Anerkennung aller Personen als rechtlich gleicher beruht. Die Wahl der liberalen Demokratie ist frei, und wird durch das Bedürfnis nach Anerkennung vorangetrieben , die ökonomische Entwicklung unterstützt aber diesen Prozeß. Dies geschieht auf folgenden Wegen:

 

·        der einstige Knecht begreift sich durch seine Arbeit als Herr (über die Natur). Mit wachsender Bildung durchschaut er immer mehr seine reale Lag(z.b. Bürger gegen Adel).

·        die ökonomische Entwicklung hat ihrerseits eine gleichmacherischer Tendenz, da sie eine allgemeine Bildung voraussetzt und allen Gruppen mehr Möglichkeiten bieten muß, Die soziale Durchlässigkeit wird größer.

 

Damit ist für den Autor die Verbindung von Demokratie und Ökonomie über die Brücke ‚Wunsch nach Anerkennung‘ hergestellt.


 

1.3.2       Mögliche Gefahren für die liberale Demokratie

 

1.3.2.1     Gefahren durch Nationalismus

 

Nach Aufstellung und Begründung seiner Hauptthese setzt sich er Autor mit möglichen Widerständen gegen eine Demokratisierung auseinander. Der Grund für den noch nicht vollständigen Sieg der liberalen Demokratie sieht er in dem Verhältnis von Volk und Staat. Nach Nietzsche hat jedes Volk sein eigenes Wertbewußtsein (Sprache von Gut und Böse). Das Resultat dieses Volksgeistes ist eine spezifische Kultur, ein bestimmtes nationales, ethnisches und rassisches Bewußtsein. Einerseits ist eine gewisse Homogenität notwendig, um eine liberale Demokratie zu schaffen. Andrerseits besteht natürlich die Gefahr, daß ein Volk seine Eigenart als absoluten Wert setzt und so einen Staat schafft, der gerade nicht die allgemeine, libertäre Demokratie schaffen will sondern die Suprematie über andere Völker anstrebt. Es will also nicht von andern als gleich anerkannt werden, sondern als überlegen! Es findet seine Würde darin, daß es als Herrenvolk über andere herrscht, allgemeine Demokratie als Verkleinerung seiner Selbst empfinden würde.[15] Der Autor schätzt  aber diese Gefahr als gering ein, da der Nationalismus für ihn keine anthropologische Konstante ist. Nationalismus wird genauso verschwinden oder tolerant werden, wie dies auch mit den Religionen geschehen ist. Als typisches Beispiel dient ihm die EU[16], in der die Nationen nicht verschwunden sind, die aber als Element nationaler Übersteigerung eigentlich nur noch den Fußball kennt.

Machtpolitik herkömmlichen Stils wird es nur noch zwischen Staaten geben, die keine liberalen Demokratien sind. Liberale Demokratien sollten sich in NATO-ähnlichen Verbindungen zusammenschließen, um ihre liberalen Interessen gegen die Länder zu schützen, die diese Charakteristika nicht aufweisen. Die UNO sieht er demgegenüber als ein negatives Beispiel an.[17]

 


 

1.3.2.2     Gefahren durch fundamentale Ablehnung liberaler Lebensformen

 

Nach Fukuyama ist das sozialistische Modell keine ernste Bedrohung zukünftiger liberaler Gersellschaften mehr, obwohl es auch dort noch soziale Ungleichheit geben wird. Die wird aber immer geringer werden, da moderne liberale Gesellschaften  sich durch ein enormes Maß an Gleichheit auszeichnen und dies weiter fördern werden. Dies kommt z.b. in einer Inflation von Rechten zum Ausdruck. Rechte erstrecken sich zunehmend nicht nur auf die zentralen Probleme des Zusammenlebens, sondern es gibt oder wird gefordert:

 

·        Recht auf Arbeit

·        Recht auf Reisen

·        Recht auf Abtreibung

·        Recht auf Kinder

·        Recht auf Kindheit usw.

 

Auf diese Angleichung aller Lebensformen erfolgt nun für Fukuyama der gefährlichste Angriff von der politischen Rechten.. Die Quintessenz dieses Angriffs lautet: Keine gleichen Rechte für Ungleiche. Oder anders formuliert: Das Leben verliert jeden Wert, wenn die ehemaligen Sklaven die Kultur eines Landes bestimmen, da alle Kultur, die alleine das Leben rechtfertigen kann, aus aristokratischem Geist entspringt.[18] Der ‚Letzte Mensch‘[19] (Nietzsche) ist der siegreiche Sklave, der seine persönlichen Bedürfnisse zur Norm erhebt. Allen wirklich wichtigen Fragen wird ausgewichen, da die Unterscheidung von gut und böse, besser und schlechter das demokratische Toleranzprinzip verletzen. Deshalb diskutieren wir hauptsächlich über unsere  Ernährung, unser Aussehen usw., aber nicht über die Auslegung von Bibeltexten  und andere ernste Fragen usw...[20]

 

Das Dilemma der liberalen Demokratie läßt sich demnach wie folgt beschreiben: Alle Beziehungen sind rechtlich geregelt, der Krieg ist abgeschafft, aber immer wird es Menschen geben, die bereit sind, für höhere Ziele ihr Leben zu riskieren, selbst wenn sie sich der historischen Relativität ihrer Überzeugung bewußt sind.[21] Er sieht die Gefahr, daß die postindustrielle Gesellschaft, wie Europa 1914, aus reiner Langeweile sich in einen zerstörerischen Krieg stürzt und der ästhetisierte Krieg als Revolte gegen Materialisimus und Kommerz gewünscht wird. Als Ausweg aus diesem Dilemma sieht Fukuyama innerhalb der liberalen Demokratien:

 

·        Unternehmertum

·        Außenpolitische Betätigung

·        Extremsportarten

·        Formale Handlungen (z.b. Blumenbinden, Tee-Zeremonien)

 

 Er hofft zudem, daß die historische Erfahrung die Menschen von kriegerischen Abenteuern zukünftig abhält und sie statt dessen die liberalen demokratischen Werte vorziehen werden, und an diese eine gefühlsmäßige Bindung entwickeln.

 

1.4         Beurteilung des Buchs

 

Es lohnt sich das Buch zu lesen. Es ist gut geschrieben und der Autor besitzt eine bemerkenswerte Gabe, heutige gesellschaftliche Entwicklungen aufzuspüren und zu beschreiben. Die vielfältigen Abstufungen und Zwischentöne moderner liberaler Demokratien werden vorbildlich herausgearbeitet. Es regt zum eigenen Denken und Widerspruch an.

 

Andererseits ist der Titel geradezu hochstaplerisch (Marketingaspekte?) gewählt. Es hätte völlig ausgereicht, das Buch ‚Über die Anziehungskraft der modernen liberalen Demokratie‘ zu nennen. Stattdessen versucht er etwas, was niemand leisten kann: eine Wiedererweckung teleologischer Geschichtsschreibung. Er selber hat in einem späteren Interview gesagt, daß nur ein Kritiker den wunden Punkt seiner Argumentation gefunden hätte, nämlich die Unvorhersehbarkeit des wissenschaftlichen Fortschritts und der damit verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen. Nun, das Problem hat Popper bereits schon 1956 beschrieben.  [22] Auch auf Jacob Burckhardt sei hier verwiesen.[23]

 

Fraglich ist auch, ob er zur Stützung seiner Hauptthese wirklich den ganzen philosophischen Apparat in Bewegung setzen mußte, zumal das meiste nur aus zweiter.Hand (Hegel durch Kojeve vermittelt) stammt oder aus fehlerhaften Ausgaben (z.b. ‚Nietzsches‘ Buch ‚Wille zur Macht‘ , das er als Quelle aufführt) abgeschrieben wurde.


 

1.5        Literaturliste

 

 

Fukuyama, Francis       The End Of History And The Last Man

                                   London 1992

 

Popper, Karl               Das Elend des Historizismus

                                   Tübingen 1979

 

Burckhardt, Jacob       Weltgeschichtliche Betrachtungen

                                   Stuttgart 1969

 

philosophische  Literatur zum Buch (deutsche Ausgaben zum Nachlesen)

 

Hegel, G.W.F.             Phänomenologie des Geistes

                                   Hamburg 1988

 

Hegel, G.W.F.             Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte

                                   Stuttgart 1980 

 

Nietzsche, Fr.              Sämtliche Werke, Kritische Studienausgabe in 15 Bänden

                                   München 1980

 

           



[1] Im Gegensatz zur Geschichtsphilosophie sei die Position der Geschichtswissenschaft verdeutlicht. Die Geschichtswissenschaft versucht zu klären ‚wie es eigentlich gewesen ist‘, d.h. für bestimmbare geographische, zeitliche, politische Abschnitte der menschlichen Entwicklung wird versucht, die Chronologie der Ereignisse(politische, religiöse, wirtschaftliche, militärische)  festzulegen sowie die Ursachen dieser Ereignisse zu beschreiben (z.b. biographische, strukturelle, klimatische usw.). Dabei wird strikt von den Quellen (Akten, Überresten usw.) ausgegangen. Durch die Quellenkritik (Echtheit, Relevanz usw.) wird die inhaltliche Gewichtung der  Einzelquelle vorgenommen. Mit Hilfe der Quellenforschung und deren Veröffentlichung wird die wissenschaftliche Diskussion über Einzelthemen ermöglicht. Erst dann erfolgt, wenn überhaupt, die inhaltliche Bewertung eines Ereignisses. Prinzipiell bleibt dabei jede Epoche ‚unmittelbar zu Gott‘, d.h. jedes geschichtliche Ereignis muß aus sich selbst verstanden und geschildert werden. Die wichtige Frage der Themenauswahl erfolgt im Rahmen des jeweiligen Erkenntnisinteresses oder des Erkenntnishorizonts des Forschers. Im Sinne der Hermeneutik wird dann die jeweilige Sachfrage oder der Sachfragenkomplex mit den wissenschaftlichen Methoden unter Zuhilfenahme der historischen Hilfswissenschaften bearbeitet.

 

[2] Fukuyama, Fr.: The End of History and the Last Man, London 1992

                               S. xii-xiii

[3] Diese Aufgabe kann im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden. Allein die Aufarbeitung der verschiedenen Hegelinterpretationen(Fukuyama stützt sich auf die Interpretation von Alexandre Kojeve)  und deren kritischer Vergleich und Gewichtung wäre eine eigene Forschungsarbeit.

[4] Fukuyama, Fr.: a.a.O. S.17

[5] Fukuyama, Fr.: a.a.O. S.25

[6] Fukuyama, Fr.: a.a.O. S.33

[7] Fukuyama, Fr.: a.a.O. S.42-43

[8] Fukuyama, Fr.: a.a.O. S.51

[9] Fukuyama, Fr.: a.a.O. S.73

[10] Fukuyama, Fr: a.a.O. S.98-108

[11] Fukuyama, Fr.:a.a.O. S. 134

[12] Fukuyama, Fr.: a.a.O. S.161

[13] Fukuyama, Fr.: a.a.O. S.166-167

[14] Fukuyama liefert also eine nicht-materialistische Revolutionstheorie.

[15] Fukuyama, Fr.: a.a.O. S.220

[16] Fukuyama, FR.: a.a.O. S.270

[17] Fukuyama, FR. a.a.O. S.282

[18] Fukuyama, Fr.: a.a.O. S.305

[19] vgl. die grandiose Stelle bei  Nietzsche, Fr.: Also sprach Zarathustra, München 1980

                               S.19-20

[20] Fukuyama, Fr.: a.a.O. S.306

[21] Fukuyama, Fr.: a.a.O. S.314

[22] Popper, K.: Das Elend des Historizismus, Tübingen 1929

                         S.xi-xii                                          

[23] Burckhardt, J.: Weltgeschichtliche Betrachtungen, Stuttgart 1969

                               S.4-6


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