Wandervogel

Literatur

Samuel P. Huntington

Farben der DHG Westmark

Der Kampf der Kulturen

 Schon das Vorwort Huntingtons macht deutlich, daß der Autor es nicht sehr ernst mit seiner These meint. Er erklärt, daß er mit dem Titel „Kampf der Kulturen" mehr provozieren will, eine Diskussion über diese Thema lostreten möchte. Schon kurz darauf macht er deutlich um was es geht in diesem Buch „Es geht um eine Interpretation der Entwicklung der globalen Politik nach dem Ende des kalten Krieges". Huntington will ein Modell für die Betrachtung globaler Politik liefern. Dieses Modell versucht er anhand der Spannung der unterschiedlichen Kulturkreise aufzuzeigen. In seinen ersten Artikel über dieses Thema, erschienen in der Zeitung „Foreign Affairs“. 1993 wurde der Titel „Kampf der Kulturen" noch mit einem Fragezeichen versehen. Dieses Fragezeichen fehlt in diesem Buch. Ähnlich wie Fukujama geht Huntington also mehr oder weniger von der Richtigkeit seiner These oder Paradigmas aus.

 

I. Was ist Kultur, was sind Kulturkreise

 

Samuel P. Huntington vertritt in seinem Buch „Der Kampf der Kulturen" die Auffassung, daß Konflikte nicht mehr zwischen einzelnen Nationen, sondern das in einer globalisierten Welt, künftige Konflikte zwischen den einzelnen Kulturen stattfinden werden.

 

Das Buch ist ziemlich gut strukturiert. Am Anfang erklärt S.P. Huntington was das Wesen einer Kultur ausmacht. Er verweist dabei auch auf den Unterschied zwischen Zivilisation und Kultur. Zivilisation ist im deutschen Sprachgebrauch, etwas Technisches (Mechanik, Technik, Lebensstandard) und Kultur bezieht sich dort mehr auf Werte und Ideale, Geist und Kunst.

 

Im englischen Sprachgebrauch ist Kultur die Lebensweise eines Volkes, Zivilisation ist eine Kultur im großen Maßstab, Zivilisation und Kultur werden im englischen Sprachgebrauch gleichgesetzt.

 

Samuel P. Huntington befasst sich nach dieser kurzen Erklärung welche Unterschiede zwischen Kultur und Zivilisation im deutschen und angelsächsischen Bereich gibt mit dem Begriff der Kultur

 

Er nimmt dabei den Kulturbegriff der Griechen auf. Danach definiert sich ein Kulturkreis nach Blut, Sprache, Religion und Lebensweise. Besonders die Sprache und Religion sind für Huntington das wesentliche. Aus diesen beiden Kulturgütern entwickeln sich die Lebensweise, der Staatsaufbau, Gerichte, Familie, Kunst. Das Blut wird nur hier kurz aufgeführt. Erst später im weiteren Verlaufe des Buches kommt es teilweise wieder hervor, wenn es um rassisch orientierte Unruhen geht, oder bestimmte Völker sich einer Kultur zugehörig fühlen, weil sie der gleichen Rasse oder dem gleichen Blute entstammen (Indien, China).

 

Für Samuel P. Huntington ist die Religion die wesentliche Eigenschaft die eine Kultur ausmacht. Erst die Religion und die damit verbundene Einrichtung des Staates sowie die damit verbundene unterschiedliche Lebensweise der einzelnen Religionsangehörigen macht eine Kultur aus. Er verweißt auf die unterschiedlichen Staatsformen die seiner Meinung stark von der Religion geprägt sind (christliches Herrschertum, Orthodoxie, die Macht des Islam in der Staatsführung sowie auf die Unterschiedliche Stellung des einzelnen in der Gesellschaft (Individualismus, Kollektivismus, Familie)

 

 

 

 

 

Für Samuel P. Huntington gibt es momentan 6 zeitgenössische Kulturkreise (Aufzählung Seite 57 ff) (die afrikanische Kultur zählt er nur bedingt als eigenständigen Kulturkreis, später schränkt er auch die lateinamerikanische Kultur ein)

 

1. Der sinische Kulturkreis (chinesische Kultur) (Konfuzianismus)

 

z. Der japanische Kulturkreis (Konfuzianismus)

 

3. Der hinduistische Kulturkreis (Indien)

 

4. Der islamische Kulturkreis

 

5. Der westliche Kulturkreis (Christentum)

 

6. Der lateinamerikanische Kulturkreis (Christentum)

            (wird nur eingeschränkt als selbständiger Kulturkreis gesehen, da dieser

            Kulturkreis stark vom Westen geprägt ist, insbesondere vom Christentum)

 

Er erklärt. daß die einzelnen Kulturkreise auf Grundlagen unterschiedlicher Religionen beruhen, oft sogar Kulturkreis und Religion identisch sind (als Beispiel nennt er Indien).

 

2 große Religionen haben seiner Ansicht nach keinen Kulturkreis gegründet. Nämlich der Buddhismus und die Orthodoxie.

 

Er erklärt wohl den Buddhismus zur Weltreligion. Aber der Buddhismus hätte sich den Kulturen Chinas und Japans angepasst und damit die einzelnen Kulturkreise nur unwesentlich geprägt.

(dies wäre ein interessanter Diskussionspunkt).

 

Am Anfang des Buches verneint Huntington einen orthodoxen Kulturkreis. Erst später bei der Behandlung Russlands und Osteuropas wird die Orthodoxie plötzlich als eigenständiger Kulturkreis angesehen.

 

II. Analyse der einzelnen Kulturkreise

 

Nach Klärung der unterschiedlichen Kulturkreise analysiert er diese und wagt einen Ausblick in die Zukunft dieser Kulturkreise.

 

Besonders legt er dabei seine Schwerpunkte auf die Dominanz einzelner Kulturkreise. Einen dominanten Kulturkreis erkennt man seiner Ansicht nach, daran, daß die Sprache, die Wirtschaftskraft und die allgemeine Lebenskultur von den anderen Kulturkreisen nachhaltig aufgenommen wird und diese auch verändert.

 

Gleich am Anfang, bevor die Analyse der einzelnen Kulturkreise beginnt wird der Westen

(Europa, USA) als die dominierende Weltkultur gesehen.

 

Englisch sei als Weltsprache sehr stark verbreitet, die Wirtschaftskraft und der  i

technologische Vorsprung des Westens gegenüber den anderen Kulturkreisen seien

immens, und westliche Lebenskultur wie Fastfood, Hollywood-Filme, Bekleidung oder Musik

ist überall auf der Welt dominierend. i

 

 

 

 

 

 

Daß diese Dominanz gefährdet sein kann zeigt er aber auch gleich auf.

Der Anteil der englischen Sprache sei weltweit im zurück gehen begriffen, chinesisch auf dem Vormarsch. Und das schon seit Jahren. Der wirtschaftliche Anteil des Westens an der

Weltwirtschaft sei relativ gesehen, stark im Abnehmen. Und auch die Akzeptanz westlicher

Kultur werde geringer. So würde der islamische Bombenbauer vermutlich Jeans tragen, Hollywood-Filme sehen, daraus aber ganz andere Schlüsse ziehen als ein Westler.

Nach dieser Analyse des Westens richtet er sein besonderes Augenmerk auf den Islam und den asiatischen Kulturkreis (China, Japan) und wagt einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung

 

ISLAM:

 

Der Islam ist seiner Meinung nach, vom Wachstum der Bevölkerung, die am schnellsten wachsende Kultur. Er rechnet, daß in ca. 25 Jahren die Anzahl der Moslems die der Christen deutlich übersteigen wird. Daraus werden sich auf Konflikte ergeben, weil die islamischen Länder wirtschaftlich nicht so schnell wachsen werden wie Ihre Bevölkerung. Das wird zu einem ansteigenden Fundamentalismus führen, Wanderbewegungen auslösen und in europäischen Länder Unruhen hervorbringen.

DER WESTEN

Der Westen wird bevölkerungsmäßig absinken. Auch sein Anteil am Weltbruttosozialprodukt wird relativ gesehen abnehmen. Dennoch wird die Macht des Westens weiterhin sehr stabil sein, da der Westen über alle wesentlichen Technologien verfügt und er auch die gesamte Informationstechnologe kontrolliert

 

DER ASIATISCHE KULTURKREIS:

 

Diesen Kulturkreis sieht S.P. Huntington als den am stärksten wachsenden Kulturkreis. Besonders in China sieht Huntington eine Gefahr für die Weltmacht USA. Die Bevölkerung wird dort weiter wachsen und auch die Wirtschaftskraft wird in den kommenden Jahrzehnten gewaltig ansteigen.

 

Huntington sieht also Gefahren für den Weltfrieden die besonders vom Islam und dem Asiatischen Kulturkreis ausgehen.

 

III. Kampf der Kulturen (Kampf der Nationen untereinander)

 

Er beginnt nun die einzelnen Großmächte dieser Kulturkreise, ihre voraussichtliche Entwicklung und das Gefahrenpotential zu analysieren. Ein großer Kritikpunkt hierbei ist meiner Meinung nach, daß diese Analyse aus der Sicht eines Amerikaners geschrieben ist. Was die Vormachtstellung der USA gefährdet, gefährdet den Westen und macht die Welt damit instabiler.

Auch brechen nun die Pauschalisierung die Huntington am Anfang gerne benutzt hat (der Islam, der Westen, der asiatische Kulturkreise) auf. Die Welt ist doch differenzierter als er es am Anfang seines Buches wahrnehmen will. Natürlich erklärt er, daß es sogenannte Bruchlinienkulturen gibt. Und daß es auch zwischen Kulturen zu Kämpfen kommt. Aber alleine schon das vorhanden sein von Bruchlinienkulturen macht doch deutlich, daß der Titel des Buches die Erwartungen nicht erfüllt. Das Buch verlässt nun den Pfad mit der Theorie „Kampf der Kulturen" und wird zu einem Buch das einzelne Großmächte oder Blöcke beschreibt die den Einfluss der USA dienlich oder gefährlich sein können.

 

Beispiele für das Aufweichen der Position „Kampf der Kulturen"

 

Im Verlauf seines Buches fängt er plötzlich an, Japan dem Westen zuzuordnen. Obwohl am Anfang Japan als eigenständige Kultur aufgelistet wird.

Dann plötzlich erwähnt er den sehr starken kulturellen Unterschied zwischen dem

islamischen Indonesien und dem islamischen Saudi-Arabien.

China wird zu einer potentiellen Gefahr für die USA. Völker wie Vietnam, Japan und auch

Indien sollen die USA unterstützen gegen China. Wo bleibt da der Kampf der Kulturen, wenn

Völker der gleichen Kultur mit fremden Kulturen gegen eine Großmacht vorgehen, die aus

Ihrem eigenen Kulturkreis stammt.

 

Huntington zeigt bei nationalen Konflikten fast jeden Konflikt der letzten Jahrzehnte auf.

Besonders der Krieg in Jugoslawien und der Krieg gegen Kuwait nehmen breiten Raum ein.

Dabei kann bei näheren Hinsehen höchstens der Krieg in Jugoslawien als kultureller Krieg

angesehen werden. Dort war es ein Krieg der Moslems gegen die Orthodoxie. Und auf

beiden Seiten wurde dieser Krieg auch als Krieg des Glaubens und der jeweiligen Kultur

verstanden (der Krieg hatte aber vorwiegend nationale Gründe, Träume eines Großserbien

oder eines albanischen Kosovo). Huntington führt dabei einen neuen Begriff ein

„Bruchlinienkonflikte".  Er versucht Bruchlinienkonflikte zu erklären, die Erklärung aber selbst,

obwohl sehr ausführlich, ist doch sehr schwammig. Wann es sich um einen

Bruchlinienkonflikt handelt oder nicht ist nicht einwandfrei festzustellen. Merkmale eines

Bruchlinienkonfliktes sind: Streit um Kontrolle von Gebieten, ethnische Säuberungen, lange

Dauer, kulturelle und religiöse Hintergründe. Das wichtigste Merkmal für einen

Bruchlinienkonflikt dürften die ethnischen Säuberungen sein. Ob eine ethnische Säuberung

aber nicht mehr rassische oder wirtschaftliche und weniger kulturelle Ursachen hat darauf

geht er kaum ein. Er verweist wohl auf die Konflikte in Sri Lanka, aber daß das

Tamilenproblem besonders auch wirtschaftliche Gründe hat, wird kaum erwähnt.

Sieht man seine Analyse der Konflikte zwischen den Staaten (zukünftige und erwartete) wird

deutlich, daß von einem Kampf der Kulturen nicht die Rede sein kann. Es geht dort nicht um

kulturelle Kämpfe sondern um Grenzkonflikte, Gebietsansprüche, Vormachtstellungen.

 

IV Kampf der Kulturen (innerhalb einer Gesellschaft)

 

Huntington widmet auch einen Teil seines Buches, den gesellschaftlichen Problemen die durch Zuwanderung, wirtschaftlichen Ungleichgewichtes und multikulturellen Gesellschaften entstehen

 

Huntington erläutert die Probleme der Moslems in Frankreich, die Probleme der USA

besonders bei Latinos (Mexiko) und den Schwarzen. Doch gerade bei diesen Problemen

zeigt er sich optimistisch. Die Probleme seien da, sie sind auch groß, können Verhältnisse

zwischen Staaten (hier insbesondere Mexiko und USA, in Europa mehr Probleme mit der

Türkei) belasten, sie sind aber durch entsprechende Gesetze (Einwanderung, Eingliederung)

lösbar. So erklärt er, daß durch den Assimilierungsdruck auf dem Arbeitsmarkt (Sprache,

Bildung) die Einwanderer gezwungen werden sich der Kultur des Gastlandes in wesentlichen

Teilen zu beugen. Natürlich bleibt dabei eine gewisse Anzahl von Einwanderern die dieser

Assimilierung widerstehen. Diese würden aber quantitativ und qualitativ keine Gefahr    

darstellen.                   

 

Asiaten seien dabei besonders anpassungsfähig. Bei Moslems gebe es Problem, mit der

christlichen Kultur, diese würden sich aber ab der 2 Generation verringern, wenn nicht ganz

auflösen.

Ich denke, daß der Autor auch in diesem Punkt irrt. Probleme mit Einwanderern besonders in

Europa gibt es schon sehr lange. Und eine Integration ist bisher nur in Ansätzen erfolgreich.

Besonders in Europa haben es Muslime schwer auf dem Arbeitsmarkt und sind auch nicht

bereit Ihre Lebensweise zu ändern. Oft nicht mal in der 2 oder 3 Generation. Der Autor zieht

wohl Beispiele aus der USA heran. Besonders die Latinos in Kalifornien oder die Asiatischen

Einwanderer. Aber diese Volksgruppen sind sehr anpassungsfähig. Die wirklichen

Problemgruppen wie islamischen Menschen spielen in den USA eine weitaus geringere Rolle als in Europa. Hier ist das Buch zu sehr auf die amerikanische Gesellschaft fixiert.

 

FAZIT:

 

Ich habe selten ein Buch gelesen, das so widersprüchlich, langatmig, zähflüssig und unlogisch ist wie dieses Buch. Man hätte dieses Buch auch auf 100 Seiten verfassen können. Besonders den Titel halte ich für ziemlich verfehlt, weil sich das Buch weniger mit Kultur und den daraus entstehenden Problemen beschäftigt, als vielmehr mit Globaler Politik. Dies erwähnt er ja auch schon im Vorwort. Seiner Auffassung nach kann der Westen nur überleben wenn Amerika seine westliche Identität bekräftigt (Seite 19). Und der Westen muss sich gegen die islamischen und asiatische Kulturen zur Wehr setzen. Der Verfasser versucht den Begriff Kultur und Zivilisation stark zu pauschalisieren. Daß jedes Volk seine eigene Kultur hat die sich stark unterscheiden kann von der Kultur anderer Völker, obwohl diese dem gleichen Kulturkreis angehören, dies ist für Huntington nicht wesentlich. Obwohl er mehrfach in seinem Buch diese Probleme anreißt (Indonesien, Japan, China) so schafft er es doch nicht, seine Position zu überdenken. Er vertritt seine Meinung weiterhin, obwohl einem aufmerksamen Leser am Schluss des Buches klar geworden ist, daß es diesen vielbeschworenen Kampf der Kulturen so nicht gibt bzw. geben kann. Am besten wird das an 2 Kernaussagen deutlich, wie schnell Huntington seine Aussagen korrigiert. So erklärt er, daß die globale Politik zukünftig multipolar und multikulturell ist. Gesellschaften die durch eine kulturelle Affinität verbunden sind, gruppieren sich um die Führungs- oder Kernstaaten einer Kultur (Seite 19). Auf Seite 21 zählt er diese Großstaaten auf (Russland, USA, China, Japan, Europa und wahrscheinlich Indien). Komisch ist, daß Russland plötzlich Führungsstaat eines Kulturkreises ist (weiches Kulturkreises, siehe Seite 57 ff). Und um welchen Staat gruppiert sich der ISLAM, der nach Huntington eine ganz große Bedrohung ist. Und natürlich wo gehört Japan hin. Zum Westen also Europa und USA. Oder welche Staaten gruppieren sich um Japan.

 

In einem Punkt hat Huntington sicher recht. Es entstehen mehr und mehr Konflikte die religiös und rassisch geprägt sind (Christen, Moslems). Diese sind aber regional stark begrenzt und gemessen am Gewaltpotential weltweit eher bedeutungslos. Die meisten Tode fordern im Moment mehr Stammesfehden und Kämpfe um Vorherrschaft in bestimmten Regionen (Irak, Tschetschenien, Kaschmir). Ein kultureller Hintergrund ist bei diesen Kämpfen sicher auch vorhanden, aber nicht sehr bedeutend.

 

Das Buch ist zu sehr von amerikanischen Politik- und Geschichtsdenken geprägt. Es ist in seiner Kernaussage zu pauschal, und befasst sich in seinen Erläuterungen um diese Theorie zu stützen nur mit der Oberfläche. Das Buch gibt einen guten Eindruck in die Weltansicht der Amerikaner, die einfache Schlagwörter und Begriffe lieben. Die Welt ist doch ein wenig mehr komplizierter.

 

KURZ: Ein reißerischer Titel, der aber ein pauschalisiertes Weltbild der amerikanischen Politik und Diplomatie auf über 500 Seiten breitwalzt.

 

 


Wenn Sie Fragen oder Anregungen haben, was diese Seite betrifft, schreiben Sie uns bitte eine Nachricht.
 

Zurück zur Hauptseite

Gestaltung und Wartung: Der Netzmeister